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Mittwoch, 25.12.24, 12:00 Uhr
Maschinenpoesie
Spätestens seit «chat-gpt» allgemein verfügbar ist, scheint die Vorstellung einer Maschine, die Literatur schaffen kann, zum Greifen nah. Der Strauhof blickt deswegen zurück auf die Entwicklung des Zusammenspiels von Mensch, Maschine und Text in den letzten 70 Jahren. Drei technologische Neuerungen stehen im Fokus der Ausstellung: Schreibmaschine, Computer und «machine learning». Neue technische Möglichkeiten werden immer auch für literarische Experimente genutzt: Die Schreibmaschine wird schon bald nach ihrer Verbreitung zweckentfremdet um Bilder und visuelle Texte zu generieren. Autoren und Künstlerinnen erkunden das poetisch-visuelle Potential der Schreibmaschine – die Ausstellung präsentiert ausgewählte Typogramme des Schriftstellers Reto Hänny (CH, *1947) und der Künstlerin Ruth Wolf-Rehfeldt (DDR, 1932–2024), die beide in den 1970er-Jahren entgegen den Limitation der Maschine verspielte Bildtexte kreieren. Die Frage, wie Maschinen Buchstaben und Texte in Bilder verwandeln, verweist auch in die Gegenwart: Am entgegengesetzten Ende des Spektrums stehen aktuelle KI-Bildgeneratoren. Zentral ist hier die noch neue Kulturtechnik des «Promptens» – des Schreibens von für Computer verständlichen Anweisungen. Gerade die Unmöglichkeit, gewisse Bilder zu generieren, führt Funktionsweise und Grenzen von künstlicher Intelligenz deutlich vor Augen. In den 1950er-Jahren wecken die ersten Computer mit elementarsten Speicherkapazitäten die Experimentierlust einer neuen Generation von Schreibenden und Programmierern. Die «Elektronenhirne» erzeugen rätselhafte Sätze und endlose Gedichte. In diesem Moment scheint eine Vision der Avantgarden Realität zu werden: Nicht der Mensch, sondern die Maschine ist der neue Massstab der Kreativität. Und mit zunehmender Rechenleistung und Vernetzung verbessert sich auch die Qualität der generierten Texte. Die Ausstellung bietet einen exemplarischen Rückblick von den als Kafka-Variation angelegten «Stochastischen Gedichte» (1959) von Theo Lutz, über die vom Programm RACTER geschriebene Poesie- und Prosasammlung «The Policeman’s Beard is Half Constructed» (1984), die «Netzliteratur» von Susanne Berkenheger «Zeit ist Bombe» (1997) und das bei einem Programmierwettbewerb entstandenen «The Seeker» (2014) bis zu den KI-Romanen der Gegenwart. Ergänzende Exkurse zeigen historische literarische Positionen als Kontext, um die Bezüge und Brüche zwischen den digitalen und analogen Innovationen des Schreibens zu vermitteln: Darunter die «écriture automatique» der Surrealisten als Versuch, sich in menschliche Schreibautomaten zu verwandeln; oder die Dada-Methode, durch das Ausschneiden von Wörtern aus Zeitungen Zufalls-Texte zu erzeugen; die Arbeiten der «Konkreten Poesie»; und die Experimente den Möglichkeitsraum der Literatur in der Bewegung «Oulipo» zu erweitern. Abschliessend legt die Ausstellung den Fokus auf drei Autor:innen: Marianne Fritz (Ö, 1948-2007) reizt in ihrem Monumentalwerk «Naturgemäss» die Grenzen von Schreibmaschine und Lesbarkeit aus. Dabei entstehen faszinierende, bildhaft wuchernde Textlandschaften, die bis heute wenig bekannt sind. Der Texttüftler Beat Gloor (CH, 1959-2020) programmiert einen «Schimpfautomaten» und verwendet den Computer für Sprachexperimente wie das Sammeln von einsilbigen Wörtern in «be deuts». Beide Arbeiten entstehen aus Gloors Faszination für die elementaren Bestandteile der deutschen Sprache, den Silben. Und Hannes Bajohr (D, *1984) erläutert, wie er ein «large language model» (LLM) vorbereitet, trainiert und genutzt hat, um den Roman «(Berlin, Miami)» zu verfassen: Das in Co-Autorschaft mit einem LLM verfasste Werk gilt aktuell als eines der wichtigsten Experimente zum Schreiben mit KI.
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